23 Juni 2016

Bunte Bilder allein helfen nicht!

Eigentlich wissen wir es doch alle oder?

Wer die Ohren aufsperrt und sich einen Moment Zeit fürs Zuhören nimmt, kann Bedürfnisse ermitteln, die die angepeilte Konsumentengruppe so hat.
Man kann auch feststellen, ob der schöne Videoclip, der hoffnungsfroh in die Welt strahlt nicht das Gelbe vom Ei ist, sondern dass das "Brauchbare" , also die Botschaft, die man ins Leben sofort mitnehmen kann, wesentlich willkommener ist. Hochglanzgedöns, interessiert nicht. Wer braucht schon gekaufte Stockphotos, die man an jeder Ecke findet oder gestelltes HighEnd Material?

MR. Media veröffentlichte kürzlich auf seinem W&V Blog einen spannenden Artikel, in dem es um den Abschied von der Reichweite ging. Scheiß auf die Reichweite - Der Artikel zum Nachlesen!


Arzt, Anhörung, Herz, Medizin, Wissenschaft, StethoskopDer Experte stellt fest: Die Onlinenutzer seien genervt von der Werbung, mit der man Awareness, also mehr Aufmerksamkeit zu generieren versucht und man brauche Touchpoints um die Verbraucher zu erreichen, Punkte, an denen man die Nutzer eben zu fassen bekommt. Mit Empathie und Zuhören. Botschaften müssen relevanter für den Verbraucher werden, genießbarer. Stimmt!

Beim Lesen des Artikels fühlte ich mich wohl. So wohl wie lange nicht. Denn: das ist es, was ich oft und immer wieder sage, wenn es um Patienten im Netz geht, die an sich noch einmal andere Bedürfnisse haben, was auf Erkrankungen oder auch andere Lebensumstände zurück zu führen ist. Gehen wir also ins Manufaktur Spezialgebiet: Patients & Healthcare

Wir (und ich zähle mich hier dazu, weil ich als MS Betroffene durchaus andere Wege gehe und gehen muss) brauchen relevante, vernünftige, verständliche und informative Aussagen.

Gerade hier wird immer wieder aus dem Werbesilo heraus auf "Awareness" gesetzt und man schielt zahlengeil auf den Ticker, der, natürlich gesponsert, vor sich hinbrummt. Ja, freilich, aber wo ist der Verbraucher = Betroffener = Mensch mit einer Erkrankung?

Will der das überhaupt hören, lesen oder sehen? Hat da vorher mal einer nachgedacht? Hm?


Hört man den Verbrauchern zu, da in diesem Internet da draußen, dann hört man anderes. Und ja, Kampagnengestaltung muss heute anders stattfinden. Wer laut auf die Kacke haut und sich als Marktschreier betätigt, ist bei vielen Betroffenen einer Erkrankung schlicht durch und wird ignoriert, im schlimmsten Fall mal eben ordentlich belästert.

Über Jahre habe ich das Verhalten und die Bedürfnisse von Patienten beobachtet und viele Gespräche geführt, diskutiert und Stoff gesammelt. Zugehört.
Es ist eigentlich ganz einfach. Betroffene brauchen gute Informationen. Sie wollen mehr verständliches Wissen haben, das man richtig gut brauchen kann, zur Entscheidungsfindung beispielsweise.
Was hilft das schönste Video, wenn es neben glücklichen Patienten einen auf heile Welt macht aber der Mehrwert in Sachen gute und verständliche Information fehlt?

Was hilft mir eine nette Infografik, wenn sie farbenfroh ermittelt, dass es viel gäbe, das aber oft gar nicht beim Patienten ankommt. Aus Kostengründen oder was auch immer.
Gutes, wertvolles Wissen, das hilft, etwas besser zu verstehen, ist eher selten. Und das ist schade, weil es wesentlich effektiver und nachhaltiger ist. Übrigens auch für die so oft beschworene Awareness, die über vielen Kampagnen steht und hoch beschworen wird.

Sprechblase, Kommunikation, Sprechen, Gefühl, Fühlen

Wer bestimmte Gruppen von Menschen erreichen will, muss ihnen zuerst zuhören und den Bedarf ermitteln. Hören wir nicht zum ersten Mal oder?

Aber ja, Zuhören kostet Ressourcen. Zeit, Geld. Und in einer Zeit, in der immer alles immer schneller wird, wird das oft zum Problem. Anstatt etwas zu durchdenken, sich mit der Gruppe, mit der man redet, zu beschäftigen, ihr nachzufühlen und zu versuchen, sich in dieses Leben als Betroffener hinein zu fühlen und Fragestellungen zu erspüren, ballert man mit Reichweitengequatsche in den Kanal.

Und natürlich erreicht man Zahlen, es gibt immer welche, die klicken, vor allem, wenn man viel sponsert und bezahlt und Ads kauft. Aber das sind selten solche, die bleiben, die folgen, die mitreden und das tun, was Social Media ausmacht: Interagieren, da sein, teilen, folgen, empfehlen. Von organischen Tweets ist gar keine Rede. Die sind außen vor.

Die viel gepriesene Awareness ist nicht nur das Schüren eines Leuchtfeuers. Gerade nicht für Patienten. Dabei geht es doch darum, ein Bewusstsein für den Nutzer zu entwickeln, mit dem Gedanken, ihm nachhaltig Unterstützung zu bieten, langfristig auf eine Vernetzung zu setzen und nicht mal eben mit einem Wischiwaschihochglanzfilm und drei geplärrten "Wir sind die besten" Tweets und viel Geld mal eben viel "Awareness" zu erreichen, die keine ist.

Es geht darum die Bedürfnisse, Wünsche und Anliegen zu erfahren und dort anzudocken und da zu sein. Mit der Info oder dem Angebot, das nötig ist, um eine Situation zu verbessern.

Informationen, Fragen, Information, Hilfe, Anfrage

Patienten brauchen mehr als Kampagnen. Patienten brauchen Informationen. Wissen, das man versteht und mit dem man beispielsweise im Arztgespräch wertvollere Informationen bekommt, weil man bessere Fragen stellen kann.

Patienten müssen täglich Entscheidungen treffen. Sie müssen sich mit Themen auseinandersetzen wie dem "Lebenslänglich" wenn eine Erkrankung chronisch ist und stellen sich Zukunftsfragen oder suchen Wege, wie man Therapien optimieren kann. Sie müssen entscheiden und die Konsequenzen aus diesen Entscheidungen tragen. Und da hilft es nichts, bunt bebildertes Kampagnen-material zu schnüren, das eben am Wissensbedarf der Gruppen vorbeischrammt. Bunte Bilder helfen nicht.

Aber solange Patienten von den Beteiligten einer Kampagne nicht ernst genug genommen werden, das "Zuhören" nur oberflächlich erfolgt und man eigentlich auch nicht mit denen spricht, die eine Kampagne betrifft, wird sich über lange oder kurz nichts ändern. Nicht an der Kampagnenstrategie, die dann gerne das Ziel, nämlich den Betroffenen zu erreichen und zu unterstützen, und neben einem kleinen Leuchtfeuer, das viel Geld kostet, eigentlich nicht wirklich etwas bringt.

Deshalb Danke Mr. Media. Danke für die Feststellung, dass offene Social Media Ohren und das Finden von Anknüpfpunkten wichtiger denn je sind!

Wer nicht nur über die Gruppen spricht, die er erreichen will, sondern zuhört, mit ihnen interagiert und gar mit ihnen kommuniziert, wird Awareness erreichen können.

Viele Grüße
Birgit Bauer



Text: Copyright by Manufaktur für Antworten UG 
Bilder: Pixabay.com